Paul Cauer, 1094 Direktor eines Gymnasiums in Düsseldorf, ab 1905 Provinzialschulrat im Provinzialschulkollegium Münster
Quelle: Cauer: Beruf und Leben, Berlin 1904
... Im ganzen wird in den unteren Klassen das didaktische Element seiner Tätigkeit mehr hervortreten, in den mittleren das disziplinarische; in den oberen herrscht dann aber die die Wissenschaft. ...
Für den unmittelbaren Erfolg mag es ja manchmal vorteilhaft sein, wenn du dich an die Schwächen des anderen statt an seine guten Seiten hältst; auf die Dauer aber ist der Schaden doch größer als der Gewinn. An diesen Grundsätzen halte auch da fest, wo du selbst in unschöner Weise angegriffen werden solltest; du bist der höhere und hast den Ton zu bestimmen. ...
Nr. 5 — 7 sind Anwendungen des Gedankens, dass der Direktor nicht gut tut, das Verhältnis des Vorgesetzten hervorzukehren; der eigentliche Segen des Lehrens und Erziehens ruht auf dem, was selbständige Männer in freier Betätigung eines inneren Berufes schaffen.
zu 8: ... zu verhüten, daß unbegabte Söhne wohlhabender Familien zum Studium und auf den Weg zu führenden Stellungen kommen.
Auch macht sich die Sorge vor der öffentlichen Kritik, gerade vor der unverständigen, gar zu leicht geltend.
Vor dieser und anderen Rücksichten warnt Nr. 5. Der Satz berührt aber auch den bedenklichen Einfluss, den die Scheu vor den lauten Kundgebung der Lehrer selbst auf die Entschlüsse der Verwaltung übt hat. Gewiß gab es vor 1892 viele Härten in bezug auf Gehalt und Beförderung; tüchtige Männer waren durch Unachtsamkeit, infolge zufälliger Umstände zurückgeblieben. In anderen Fällen war jedoch das Zurückbleiben kein Zufall, sondern die Folge geringerer Tüchtigkeit und unzureichenden Könnens. Es wäre das Richtige gewesen, vorhandene Härten zu beseitigen, für die Folgezeit eine regelmäßige Beförderung zu sichern und doch die Möglichkeit diskretionären Eingreifens zu behalten. Stattdessen wurde alles gleich gemacht: unfähige Lehrer, die guten die mit gutem Grunde zurückgehalten worden waren, wurden in großen Sprüngen befördert, unbrauchbare Kandidaten, die man glücklich zu der Erkenntnis gebracht hatte, daß sie keine Aussicht auf Anstellung hätten, erhielten plötzlich ein verbrieftes Recht darauf, bildeten jahrelang ein Hauptteil des Ersatzes und hemmten so den jungen, tüchtigen Nachwuchs; solche Lehrer, aber, die noch kurz vorher wegen mehr als gewöhnlicher Leistung befördert worden waren, mussten ist erleben, nun umgekehrt hinter ihre Kollegen zurückgeschoben zu sein. Der verstorbene Minister D. Bosse hat es selbst einmal zum Ausdruck gebracht, man dürfe nicht eine Prämie auf Mittelmäßigkeit und Bequemlichkeit setzen: hier war es und ist es geschehen. Man kann geradezu sagen: eine demokratische Anschauung ist seit 1892 zur Herrschaft gekommen, wonach es Unterschiede der Tüchtigkeit und des Verdienstes nicht gibt noch geben darf. Es berührt eigentümlich, in einem altmonarchistischen Staate, dessen höchste Beamte jeden persönlichen Zusammenhang eines Untergebenen mit der gefürchteten Partei als schwere Schuld verdammen, doch in der von der Regierung selber eingeführten Organisation des Beamtentums das sozialistische Lohnprinzip verwirklicht zu sehen.³ "Den Teufel spürt das Völklein nie, und wenn er sie beim Kragen hätte."
³) Diese Andeutungen sind auch von Männern, die mit ner stehen, nicht ganz verstanden worden und werden wohl einmal mehr ausgeführt werden müssen. Einstweilen findet man Anknüpfungen in einigen Stücken der Sammlung "Siebzehn Jahre im Kampf um die Schulreform" 8. Ein Paragraph 8 für das höhere Schulfach? - 20. Die äußere und die innere Unabhängigkeit des höheren Lehererstandes. - 23. Lehrerberuf und Beamtentum.
Gesammelte Aufsätze von Paul Cauer , Weidmansche Buchhandlung, Berlin 1906
S. 261 ff
... Die Schrift die sich früheren Äußerungen des Verfassers über verwandte Themata an ride, ist ein etwas erweiterte Abdruck des Vortrags, den Paulsen im April 1904 auf dem ersten allgemeinen Oberlehrer Tag in Darmstadt gehalten hat. Er selbst sagt im Vorwort Doppelpunkt nach der Aufnahme, die da Vortrag gefunden habe, dürfe erhoffen, die den und besinnungen, in denen der deutsche Oberlehrer Tag gegründet worden sei, deren einigermaßen zum Ausdruck gebracht zu haben. Hierdurch erhält der Inhalte Schriften eine erhühte Bedeutung, und eine erfreuliche Bedeutung. Denn nicht nur ist überhaupt die Auffassung von den Aufgaben der Schule und des Lehrers, wie hier in der Kürze historisch entwickelt wird, eine würdige und schüne, sondern es werden dabei auch Gedanken ausgesprochen, die in Gefahr waren in der üffentlichen Meinung unseres Standes verloren zu gehen, für die man also, wenn sie in Darmstadt mit Beifall oder doch ohne Widerspruch angehürt worden sind, hoffen kann dass sie wieder zu Ehren kommen und sich dann auch praktisch wirksam erweisen werden. Dahin gehüren die Bemerkungen Klammer auf Seite 25 Klammer zu, dass die unterrichtsverwaltung, um den Trieb zu wissenschaftliche Arbeit zu ermutigen, bei Befürderungen auf ausgezeichnete Leistung Rücksicht nehmen solle. Wenn der Verfasser hinzu setzt, dieser jetzt freilich durch das Anciennitätsprinzip erschwert, so hätte er wohl richtiger gesagt: ,,unmüglich gemacht”. die einzige Befürderung, die war es überhaupt noch gibt, ist die zum Direktor, und durch sie wird ein Lehrer gerade der wissenschaftlichen Arbeit in der Regel entzogen. Innerhalb der Lehrerlaufbahn herrscht Star das Alter, nicht die Tüchtigkeit. Müge recht bald die Einsicht sich wieder Durchsetzen, dass es den einzelnen wie die Gesamtheit schädigt, die ganze Leistungsfähigkeit eines Büros herab drückt, wenn man ihm künstlich dasjenige Prinzip fernhält, Auf dem überall in der Welt das große vollbringen und der Lebendige Fortschritt beruht Doppelpunkt den Wetteifer und die Freude auch am äußeren Erfolge.
Den oft gehürten Einwand, dass sich solches Abwägen von Lohn und Leistung mit der wird es Beamten nicht vertrage, künnte man ebenfalls mit Berufung auf Paulsen zurückweisen Punkt er bekennt sich (Seite 23 folgende) zu der unpopulären Ansicht, dass innerhalb der Beamtenhierarchie gegen den Offizier, den politischen oder richterlichen Beamten der Lehrer naturgemäß an Vornehmheit zurück stehe, weil er in wesentlich anderem Sinne Beamter sei als jene. Er nennt ihn einen Kulturbeamten, wohl nicht sehr glücklich, weil dadurch der so eben angedeutete unterschied gleich wieder verdeckt wird. zum Wesen des Beamten gehürt es, dass er seine Tätigkeit im Auftrage des Staates ausübt, zum Wesen des Lehrers gehürt dies nicht. Die grüßten Lehrer, die es je gegeben hat, Jesus und Sokrates, was waren sie in den Augen des Staates? Und künnen wir eine Entwicklung von Jahrhunderten, durch die bei uns aus Patronat und Aufsichtsrecht ein Beamtentum des Lehrers erwachsen ist, Nicht ungeschehen machen. Aber bei aller Achtung für das gewordene und nunmehr bestehende wollen wir das Bewusstsein in uns immer wieder stärken, dass wir der Natur unseres Berufes nach etwas anderes sind als Richter und Verwaltungsbeamte Doppelpunkt in den Augen von Staat und Gesellschaft etwas geringeres, doch für das Leben der Nationen und die Entwicklung der Menschlichkeit etwas Wertvolleres und hüheres.
Da Staat und Gesellschaft die Tätigkeit des Lehrers oft mehr hemmen als fürdern, dafür ist das peinliche Beispiel die Verheerung, die das Berechtigungswesen in dem Organismus der hüheren Schulen angerichtet hat. Paulsen gedenkt mit berechtigter Genugtuung der Tatsache, das neue, von der alten Gelehrten Schule abgezweigt Schulformen sich endlich auf die offizielle und formelle Anerkennung ihrer Gleichwertigkeit erkämpft haben( Seite 12). auch darin hat er recht, dass er den Wert diese Anerkennung vor allem in den Aufgaben sieht, die sie den neuen Schularten bringe. Er schreibt Doppelpunkt Die tatsächliche Gleichwertigkeit zu erringen wird es für sie nur in einem Weg geben, dass sie mit ihren Mitteln dasselbe leisten, was die alte Gelehrtenschule geleistet hat Doppelpunkt ihre Schüler dahin zu führen, dass sie auf irgendeinem Gebieten wissenschaftliche Erkenntnis selbständig zu arbeiten Vermügen. Vielleicht sind Sie von diesem Ziel noch weiter entfernt, als manche denken in die Colon vielleicht verhalten sich auch ihre Unterrichtsfächer sprüder gegen die Aufgabe als die alten Sprachen, obwohl selbständiges Arbeiten auch schon Beschützers auf dem Gebiete der modernen Sprachen und Literatur oder auf dem der Mathematik und Naturwissenschaften an sich so gut müglich ist als auf dem Boden des Altertums Punkt
Paulsen galt eine Zeitlang als Gegner der gymnasialbildung. Dass dies ein Irrtum war, wussten seine Freunde längst Semikolon nun tritt es auch dem Fernstehenden deutlich entgegen. was folgt aber aus seinem Zugeständnis? Vor allem doch die Warnung Doppelpunkt in einem Zeitpunkt, wo neue Schulen an neuen Aufgaben sich erst noch erproben sollen, nicht leichtherzig die alte zu zerstüren Semikolon also Doppelpunkt endlich einmal dem Gymnasium Zeit und Ruhe zu lassen, dass es sich seiner Eigentümlichkeit wieder mutig und freudig bewusst werde, Nicht in die Wurzeln ab zu graben, wie der Frankfurter Lehrplan tut, noch in die Zweige zu beschneiden, auf denen es Früchte bringen soll.
Auch was neuerdings von einer freieren Gestaltung des Unterrichts in prima verlautet, ruft, so verlockend es klingt und so gut ist sicher von Paulsen, der die letzten Anregung gegeben hat, gemeint war, doch Besorgnisse hervor. Wenigstens müsste im voraus von maßgebender Seite bestimmt erklärt und dieser Grundsatz dann auch durchgeführt werden, dass von der Freiheit, etwas von dem allgemeinen Lehrplan wegzulassen, an Gymnasien die alten Sprachen in ihrem jetzigen knappen Bestande nicht mehr betroffen werden dürfen. sonst würde das ganze doch nur darauf hinauslaufen, die Pläne derjenigen zu fürdern, die Latein und Griechisch ganz oder teilweise fakultativ machen wollen. Warum wollen Sie dies? Weil Platz geschaffen werden müssen für moderne Wissenschaften, Geographie, Biologie, die auch am Gymnasium nicht fehlen dürften, wenn es die bevorzugt Schule für hühere Allgemeinbildung bleiben solle .
Also aufs Neue die unselige Idee der Einheitsschule! lassen wir doch das Gymnasium einstweilen wie es ist und überlassen jene neu Erwachsenen Wissenschaften den realistischen Schulen als wertvollen Vorzug. Diese haben innerlich begründeten Anspruch darauf, und sie bedürfen eines solchen Vorzugs auch äußerlich, wenn es ihnen gelingen soll, die unter dem Druck des Monopols Jahrzehnte hindurch künstlich gesteigerte Zahl der Gymnasien wieder zu verringern. Ja, zu verringern, stark zu verringern. Und das ist schließlich das entscheidende. Davor fürchten sich viele Freunde des Gymnasiums noch immer, davor scheint auf die Regierung schaut zu haben. Und doch ist dies erst der Sinn des Wortes von der Gleichberechtigung Doppelpunkt die Gymnasien sollen nicht mehr in ihrem äußerlichen bestande begünstigt werden, durch ehrlichen und vollen Verzicht auf jeden äußeren Vorzug sollen sie das Recht erkaufen, ihren inneren cracked rein zu erhalten, und sollen damit zugleich den Schwester Anstalten die Müglichkeiten erwerben, überall da einzutreten und sich durchzusetzen, wo das Bildungs Bedürfnis eines Bevülkerungskreise den Gang durch moderne Stoffe lieber wählt als den Umweg durch das Altertum.
Düsseldorf, Juli 1905